Entwicklungen im Bereich der erweiterten Realität, auch Augmented Reality (AR) genannt, verändern durch den Einsatz von Datenbrillen die industrielle Fertigung. Konzerne setzen die smarten Brillen bereits jetzt in Wartung und Reparatur ein und ersparen sich so viele Ressourcen. Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM hat den Einsatz von Datenbrillen und die Nutzung von AR-Technologien nun auch als Potenzial für die Klebtechnik entdeckt. Gerade für den Bereich der Qualitätssicherung ist die neue Anwendung interessant.
Ist der Klebstoff einmal auf einer Oberfläche appliziert, müssen beide zu fügenden Teile meist in einem bestimmten Zeitfenster zusammengeklebt werden – sonst ist der Prozess zum Scheitern verurteilt. Der zeitnahe Rat oder die Freigabe durch einen Experten sind in der Klebtechnik deshalb wichtige Schritte zu einer effizienteren Fertigung. Wie im Blogbeitrag »IRIES – Experte in der Hosentasche« erklärt, können Industrieunternehmen schon jetzt mit dem System IRIES Klebprozesse in der Klebtechnik optimieren und effizienter gestalten. Doch was bedeutet das für die Qualitätssicherung sowie die DIN 2304? Welche Möglichkeiten bietet der Einsatz von Datenbrillen und modernen Kommunikationsmedien für die Dokumentation von Klebprozessen? Und: Was sind zukünftige Forschungsfelder?
Mit der Datenbrille zur DIN 2304
Da man Klebungen nicht einhundertprozentig zerstörungsfrei prüfen kann, muss man einen möglichst fehlerfreien Prozess schaffen. Das ist das Ziel der DIN 2304, einer Norm, die die organisatorische Qualitätssicherung in der Klebtechnik regelt. »Häufig werden diese Regeln und Anforderungen über seitenweise ausgedruckte Handbücher vermittelt, die der Anwender beim jeweiligen Prozessschritt zu Rate ziehen muss«, erklärt Tim Strohbach, Mitarbeiter am Fraunhofer IFAM. Hinzu kommen oft noch unternehmensspezifische Vorgehensweisen, die ebenso berücksichtigt werden müssen. Durch die Kooperation des Fraunhofer IFAM mit dem Start-up bitnamic und die Weiterentwicklung des IRIES-Systems sollen Anwender und Experten diese Daten und Anweisungen direkt auf der Datenbrille oder einem anderen mobilen Endgerät beim jeweiligen Prozessschritt abrufen können. Die DIN 2304 kann somit »prozessnah« mit dem ausführenden Techniker umgesetzt werden.
Einsatz in Dokumentation und Wartung
Nicht nur für die Anwendung, sondern auch für die spätere Dokumentation von Arbeitsprozessen und Materialien bietet das System Möglichkeiten. Über QR-Codes stellt es Arbeitsschritte fest und nimmt somit mögliche Fehler durch eine regelkonforme Anweisung an den Techniker vorweg. Ein Beispiel ist die »Topfzeit«, die die Verwendbarkeitsdauer von reaktiven Materialien, wie Klebstoffen, beschreibt. Diese kann schon während der Anwendung dokumentiert und für die verschiedenen Klebstoffsorten analysiert werden. Solche Daten oder andere prozessspezifische Daten können dann auch direkt auf dem Bauteil eingeblendet werden. Auch der Bedarf an bestimmten Messgeräten und Werkzeugen kann durch eine Session mit der Datenbrille im Vorfeld geklärt werden, indem der Kunde den Experten zum Ort des Geschehens führt.
Künstliche Intelligenz aus der Cloud
Langfristig sollen Algorithmen im integrierten Datenbanksystem einfache Fragen selbst beantworten können. Das Know-how soll in Form einer künstlichen Intelligenz, die über eine Cloud zugänglich ist, abgespeichert werden. Die auf dem Server hinterlegten »trainierten« Daten, werden je nach Prozessschritt zur Verfügung gestellt und geben dem Anwender Hinweise für den richtigen Workflow. Die Mensch-Mensch-Kommunikation springt erst dann ein, wenn der Algorithmus nicht mehr weiter weiß. Für die Klebtechnik ist vor allem die Erweiterung des Systems in Bezug auf die Anbindung von Messgeräten für die Oberflächenanalyse interessant. Derzeit ist IRIES beim Fraunhofer IFAM eingerichtet und läuft im Testbetrieb. Vor allem Fragestellungen der IT-Infrastruktur, etwa »Wo werden die Daten gespeichert?« und »Welche Daten können gespeichert werden?« beschäftigen die Forscher derzeit. Um die Visionen auf Basis des noch »feldoptimierten Videokonferenz-Systems« voranzutreiben, setzt das Fraunhofer IFAM vor allem auf Partner aus Wirtschaft und Industrie.