Interview mit Prof. Dr. Andreas Groß über die Sicherstellung der Qualität bei »speziellen Prozessen« von Faserverbundbauteilen.
Um Kundenbedürfnisse sowie weitere Anforderungen an die Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität zu erfüllen, bedarf es eines prozessorientierten Qualitätsmanagementsystems (QMS). Durch die Implementierung eines QMS lassen sich deutliche Wettbewerbsvorteile für Unternehmen aus dem Industrie- und Dienstleistungsbereich erzielen. Der Nachweis in Bezug auf die Qualität und Personalqualifizierung kann jederzeit offen dargelegt werden. Es gibt jedoch auch Prozesse, bei denen die Qualität nicht zu 100% verifiziert werden kann. Die Norm ISO 9001 soll in diesem Fall eine umfassende Sicherstellung der Qualität im Laufe des gesamten Produktlebenszyklus gewährleisten. Gerade im Faserverbundkunststoff-Bereich (FVK) haben Fehlerquellen oftmals ihren Ursprung in der mangelnden Qualifizierung des Personals. Prozesse und Ergebnisse müssen im vollen Umfang erfasst und beurteilt werden können, daher ist die Personalqualifizierung ein essentieller Aspekt der ISO 9001. Auch das Fraunhofer IFAM ist seit 1995 nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. Die Gültigkeit erstreckt sich auf zahlreiche Bereiche.
Prof. Dr. Andreas Groß, Leiter der Abteilung Weiterbildung und Technologietransfer am Fraunhofer IFAM, erklärt im Interview, wie Fehler bei sogenannten »speziellen Prozessen« im Vorhinein vermieden werden können und was genau darunter verstanden werden kann.
Herr Prof. Groß, welchen Kerngedanken verfolgt die Norm ISO 9001?
Die ISO 9001 stellt die Basis für ein Qualitätsmanagementsystem in einem produzierenden Unternehmen dar. Sie repräsentiert das am weitesten verbreitete QMS. Der Kerngedanke der ISO 9001 ist einfach, logisch und genial, denn er lässt sich im folgenden Satz zusammenfassen: Wenn in einer Produktion, beziehungsweise in einem Produkt, ein Fehler zerstörungsfrei nicht 100%ig nachgewiesen werden kann, dann muss dieser mögliche Fehler von Vornherein vermieden werden. Die Kernbotschaft der ISO 9001 heißt also »Fehlerprophylaxe«. Für diese Fehlerprophylaxe ist der Einsatz von technologiespezifisch qualifiziertem Personal unerlässlich. Nur Personal, welches sich im jeweiligen Produktionsprozess fundiert auskennt, ist überhaupt in der Lage, Fehler zu erkennen.
Was versteht man unter »speziellen Prozessen« bei Faserverbundbauteilen?
Die Herstellung eines Faserverbundwerkstoffes ist ein »spezieller Prozess« Es besteht weder für die zwingend notwendige Haftung des Matrixharzes auf der jeweiligen Faser, noch für die fachgerechte Aushärtung des Matrixharzes selbst, die Möglichkeit zerstörungsfreie Prüfungsverfahren einzusetzen, die zu einem 100%igen Ergebnis führen. Diese Tatsache bedingt folglich den Einsatz qualifizierten Personals. Dieses gilt in gleicher Weise auch für die Instandsetzung von Faserverbundbauteilen. Auch das Instandsetzen ist in seinen einzelnen Facetten ein »spezieller Prozess«.
Nehmen damit Faserverbundwerkstoffe eine Sonderrolle ein?
Definitiv nicht! Wir sind in der Produktion von vielen speziellen Prozessen umgeben. Es seien an dieser Stelle zwei Beispiele genannt: Das Schweißen und das Kleben. Beide sind zwar technologisch anerkannte Fertigungsverfahren, beide sind aber auch spezielle Prozesse. Und für beide gilt – beim Schweißen seit Jahrzehnten, beim Kleben seit 25 Jahren -, dass diese speziellen Prozesse mit qualifiziertem Personal durchzuführen sind. Qualifiziertes Personal bedeutet, dass der Kompetenzerwerb produktneutral und hierarchieübergreifend erfolgt und dass die Kompetenz über anerkannte Qualifizierungsdokumente nachzuweisen ist. Gerade im FVK-Bereich haben wir es mit einem Wildwuchs an Weiterbildungen zu tun, die die oben genannten Anforderungen nicht erfüllen. Aus diesem Grund wird ein hierarchieübergreifendes, produktneutrales und über die ISO17024 zertifizierendes personalqualifizierendes Konzept vorgestellt. Die Abschlussdokumente der Teilnehmer basieren auf der ISO17024, das bedeutet, dass sie international anerkannt werden können.
Auch der Blogbeitrag »Weiterbildung als unverzichtbarer Teil des modernen Technologietransfers – Personalqualifizierung in den Bereichen Klebtechnik und Composites am Fraunhofer IFAM« gibt Aufschluss darüber, wie Betriebe neu gewonnenes Wissen organisieren und Prozesse effizienter gestalten können. Es wird zudem erläutert, was unter Technologietransfer zu verstehen ist und welche Prozesse sich dahinter verbergen.
Vielen Dank für das Interview!