Das kostenfreie Webinar »Licht als Werkzeug: Vorbehandlung von Kunststoffen in der Klebtechnik mittels VUV-Licht« fand am 24. Juni 2020 statt. Sprecher war Dr. Christopher Dölle, der sich seit seinen Promotionszeiten dem Thema VUV-Strahlung widmet. Seit 2004 arbeitet er am Fraunhofer IFAM. Er leitet dort inzwischen eine eigene Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt VUV-Strahlung und seinen Anwendungen zur Oberflächenmodifikation. Dabei sind einzigartige Ideen und Ansätze entstanden, wie etwa die »LightPlas«-Technologie, mit der unter Hilfe von VUV-Strahlung Oberflächenbeschichtungen hergestellt werden. Für Industriekunden bietet Dr. Dölles Team Dienstleistungen von Bemusterungen, Machbarkeitsstudien und Forschungsprojekten bis zur Unterstützung bei der Integration bzw. Konzeptionierung einer eigenen Anlage. Wir konnten Dr. Dölle einige Fragen zu seinem Fachgebiet und den Inhalten des bevorstehenden Webinars stellen.
Wer sollte sich – Ihrer Meinung nach – Ihr Webinar unbedingt anschauen?
Wie schon der Titel nahelegt, sollten sich diejenigen, die sich mit dem Kleben von Kunststoffen beschäftigen, dieses Webinar anschauen. Insbesondere all diejenigen, die aktuell für die Zukunft neue Anlagen oder Prozesse planen und offen sind für neue Ansätze.
Zudem wird es einen Ausflug in die Modifizierung von Silikonen geben. Jeder kennt die Vorzüge von Silikonmaterial – allerdings auch die Nachteile, die mit der Oberfläche verbunden sind, z.B. die Klebrigkeit, die hohe Reibung und die Staubanfälligkeit. Hier bieten unsere VUV- Anlagen eine echte Alternative.
Warum ist die Oberflächenvorbehandlung vor allem zur Vorbereitung des Klebens besonders wichtig?
Es geht darum, eine optimale Haftkraft zwischen der Oberfläche der Fügepartner und des Klebstoffs zu erzielen, die Zuverlässigkeit und Stabilität der Klebverbindung garantiert. Gerade für die inerten Kunststoffe bzw. Polymere ist die Oberflächenaktivierung als Vorbehandlung wesentlicher Bestandteil für das anschließende Kleben. Beispielsweise ist eine gute Benetzung der Kunststoffoberfläche mit dem Klebstoff wichtig. Den Effekt der Oberflächenvorbehandlung kann man sehr gut mit Wasser demonstrieren: Ein Tropfen perlt von einer unbehandelten Kunststoffoberfläche ab. Nach einer Vorbehandlung, nach der sogenannten Aktivierung der Oberfläche spreitet der Wassertropfen aufgrund der nun optimierten Benetzungseigenschaften.
Was zeichnet die VUV-Systeme des Fraunhofer IFAM gegenüber gängigen Vorbehandlungssystemen aus?
Die VUV-Behandlung benötigt keine zusätzliche Chemie und arbeitet berührungslos und potentialfrei. Vor allem bietet sie aufgrund der hohen Flächenleistung und Lampenlängen bis zu 2 Metern bei großen, ebenen Flächen Vorteile. Diese profitieren von der hohen Homogenität des Strahlungsfeldes. Die Systeme sind kompakt, bestehen im Wesentlichen aus einem zylindrischen Strahler und einem elektrischen Vorschaltgerät. Aufgrund ihrer Kompaktheit lassen sie sich einfach auch in bestehende Anlagen integrieren. Die Behandlung kann inline erfolgen.
Insbesondere ist die Eindringtiefe der VUV-Strahlung in den Kunststoff vergleichsweise hoch. Hierdurch sollte sich die Stabilität einer Vorbehandlung erhöhen.
Was ist der Unterschied zwischen VUV und UV? Was sind die Vorteile von VUV?
Der UV-Spektralbereich ist der Bereich, der sich dem sichtbaren Spektrum zu kürzeren Wellenlängen hin anschließt. Traditionell umschließt der UV-Bereich die Wellenlängen von 100 bis 380 nm. Der VUV-Bereich ist ein Teilbereich des UV und umfasst die Wellenlängen kleiner 200 nm. Dieser Strahlungsbereich wird als Vakuum-Ultraviolett bezeichnet. Die Bezeichnung suggeriert (leider), dass sich diese Strahlung nur im Vakuum ungehindert, d.h. ohne Absorptionsverluste, ausbreitet. Tatsächlich ist die Absorption durch den Luftsauerstoff vergleichsweise hoch, dennoch kann eine gewisse Reichweite genutzt werden. Diese kann durch den Einsatz von Inertgas weiter erhöht werden.
Der Vorteil der VUV-Strahlung ist die hohe Photonenenergie, die mit kürzerer Wellenlänge ansteigt. Der Energieinhalt der VUV-Strahlung übersteigt die kovalenten Bindungsenergien vieler bekannter Polymere. Dadurch entstehen Bindungsbrüche im Polymer, die z. B. in Folgereaktionen mit Sauerstoff zu einer Funktionalisierung der Oberfläche führen.
Welche Materialien stehen bei der Oberflächenvorbehandlung mit VUV-Technik im Fokus?
Dies sind vor allem Kunststoffe, Faserverbundwerkstoffe sowie Silikone.
Welche Lampentypen stellen Sie im Webinar etwas näher vor?
In der Regel verwenden wir zwei Typen von Lampen: Den Excimerstrahler mit einer Emissionswellenlänge von 172 nm – auf diesen werde ich etwas genauer eingehen. Zusätzlich verwenden wir den Quecksilber (Hg)-Niederdruckstrahler mit der VUV-Emissionswellenlänge bei 185 nm.
Auf welche Anwendungsbeispiele gehen Sie im Webinar näher ein?
Es wird allgemein um die Oberflächenvorbehandlung diverser Materialien gehen. Es wird ein Eindruck vermittelt, wie eine Umsetzung aussehen kann, z.B. als robotergestütztes Vorbehandlungssystem. Konkrete Anwendungen können aufgrund bestehender Geheimhaltungsvereinbarungen nicht gezeigt werden.
Über welche Ausstattung verfügen Sie am Fraunhofer IFAM im Bereich VUV?
Grundsätzlich finden sich vor allem die zwei VUV-Lampentypen Excimerstrahler und Hg-Niederdruckstrahler in diversen Formen wieder. Wir verfügen über stationäre Anlagen für die grundlagenorientierte Forschung. Hier lassen sich beispielsweise Atmosphäre und Luftfeuchtigkeit gezielt einstellen. Weiterhin haben wir mobile Systeme, die auch für eine Vor-Ort Demonstration bei einem Kunden geeignet sind. Und schließlich eine Anlage, die speziell für Bahnware- und Plattenmaterial im Durchlaufverfahren konzipiert ist.
An welchen aktuellen Projekten arbeiten Sie derzeit im Bereich VUV-Technik?
Aktivierungsthemen sind ein Dauerläufer. Uns erreichen Anfragen zur Vorbehandlung, meistens in Form einer Bemusterung oder Machbarkeitsstudie.
Aktuelle Forschungsprojekte haben beispielweise die Modifikation von Silikonen mit VUV-Strahlung zum Ziel. Weiterhin werden aktuell zwei Beschichtungsthemen zur Reduzierung der Zelladhäsion auf Implantaten bzw. zur photokatalytischen Luftreinigung bearbeitet.
Wie bewerten Sie die Zukunftsaussichten von VUV-Systemen – haben sie das Potenzial, herkömmliche Vorbehandlungsmethoden zu ersetzen, oder werden sie sie eher ergänzen?
Alle Verfahren zur Vorbehandlung haben ihre spezifischen Vor-und Nachteile. Entscheidend sind die Anforderungen der Kunden bzw. der Industrie. Es geht uns darum, die bestmögliche Technologie zu identifizieren und zugänglich zu machen.