Warum die DIN 2304 so wertvoll für den Vertrieb in der Klebtechnik ist: Das Fraunhofer IFAM räumt mit drei Irrtümern auf

Die DIN 2304 nimmt den Anwender stärker in die Verantwortung und legt den im Produktsicherheitsrecht verbindlichen Stand der Technik für die fachgerechte Umsetzung klebtechnischer Prozesse fest. Sie fixiert die Anforderungen an eine qualitätsgerechte Ausführung von Klebverbindungen und die allgemeinen organisatorischen, vertraglichen und fertigungstechnischen Grundlagen für die Herstellung klebtechnischer Verbindungen. Doch vor der Umsetzung der DIN 2304 schrecken viele Unternehmen zurück: Teuer, zeitaufwendig und in ihrer Relevanz nicht absehbar: Gerade der Vertrieb, der eine möglichst einfache Basis für den Kunden schaffen will, zeigt oft eine Abneigung gegen neue Regelungen. Warum die prozessdefinierende Norm DIN 2304 jedoch auch hier eine große Rolle spielt, erklären wir gemeinsam mit Andrea Paul vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in diesem Beitrag.

»Die Umsetzung der DIN 2304 verläuft langsam: Für mich als Vertriebler ist sie noch nicht relevant!«

Anders als bei Gesetzen besteht zur Umsetzung von Normen keine Pflicht. Die Klebstoff verarbeitenden Betriebe sind also rechtlich nicht verpflichtet, Normen anzuwenden oder einzuhalten. Das ist logischerweise ein wichtiger Grund, warum Zertifizierungen nicht ad hoc umgesetzt werden. Die zukünftige Entwicklung der Norm ist jedoch unbestritten: Ähnlich wie bei der DIN 6701, die das Kleben von Schienenfahrzeugen und -fahrzeugteilen beschreibt, gehen wir davon aus, dass die Industrie auch die Einhaltung der DIN 2304 zügig von ihren Zulieferern erwarten wird. Die DIN 2304 kann einer der entscheidenden Wettbewerbsvorteile in der Klebtechnik werden, da ihre Einhaltung einen sicheren und vor allem stabileren Prozess erzeugt. Zudem wird die Klebung in der Entwicklung so intensiv beleuchtet, dass zukünftige Konstruktionen aufgrund des gesammelten Vorwissens meist schneller beurteilt und umgesetzt werden können.

Und vor allem: Auch wenn mein Unternehmen noch nicht nach der DIN 2304 zertifiziert ist, muss ich mich auskennen. Wenn ein Kunde nach der Bedeutung der Norm für die eigene Produktion fragt, ist der Vertriebler meist die erste Person, die hier qualitative und informative Aussagen treffen muss. Wer darauf keine Einschätzung geben kann oder die Vorgaben der Regelung gar nicht kennt, gerät schnell ins Abseits.

»Die Umsetzung der DIN 2304 ist aufwendig! Das lohnt sich nicht, meine Produkte verkaufen sich auch so.«

Qualität kostet: Die externen Aufwendungen sind sehr gut über die notwendigen Fortbildungen des Personals abbildbar. Die Sicherheitsklassen der DIN 2304 geben über die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen Aufschluss. Von den Klassen S1 bis S4 benötige ich verschiedene Personen bei meiner Klebung. Bei der höchsten Sicherheitsklasse S1, etwa bei der Klebung einer von außen eingesetzten Scheibe im Schienenfahrzeugbau, benötige ich einen »Klebfachingenieur« (DVS©/EWF-European Adhesive Engineer - EAE). Bei niedriger eingruppierten Klebungen genügt eine DVS©/EWF-Klebfachkraft (DVS©/EWF-European Adhesive Specialist - EAS) oder ein DVS©/EWF-Klebpraktiker (DVS©/EWF-European Adhesive Bonder - EAB). Die Einstufung meiner Klebungen bestimmt damit letztendlich die Spezialisierung meiner Fachkräfte und die Höhe der Investitionen in Weiterbildungen. Der Aufbau des klebtechnischen Qualitätssystems sowie der Struktur der Klebaufsicht und die erste Entwicklung einer neuen Klebung nach den Regeln der DIN 2304 sind aufwändig. Aber auch Reklamationen sind kostenintensiv. Die nach DIN 2304 zertifizierten Prozesse reduzieren Fehler, finden potenzielle klebtechnische Fehler noch im eigenen Betrieb und nicht erst beim Kunden, sparen Geld, verbessern die Reputation und erhöhen die Qualität.

Auch wenn sich die Produkte »noch« ohne Zertifizierung verkaufen lassen: Gerade im internationalen Markt bietet sich die DIN immer mehr als Standard an. Am Fraunhofer IFAM finden etwa im nächsten Jahr vier Kurse zum DVS©/EWF-European Adhesive Engineer statt. Zwei davon auf Deutsch, einer auf Englisch und einer auf Chinesisch. Die Zulieferer im Ausland qualifizieren sich somit bereits. Diesen Wettbewerbsvorteil darf man nicht verpassen.

»Das nach DIN 2304 ausgebildete Fachpersonal gibt es noch gar nicht!«

Aktuell werden von der Norm der DVS©/EWF-European Adhesive Bonder (EAB), der DVS©/EWF-European Adhesive Engineer und der DVS©/EWF-European Adhesive Specialist anerkannt. In diesem Jahr werden wir den 10.000sten Teilnehmer an Qualifizierungen am Fraunhofer IFAM verabschieden. Als weltweit größter Weiterbildungsanbieter von zertifizierten Lehrgängen zur Klebtechnik und Faserverbundtechnologie bietet das Fraunhofer IFAM den Mehrwert, dass hier aktuelle Forschungsergebnisse direkt in die Weiterbildungsformate einfließen. Mehr als hundert Industrieunternehmen haben die Kurse bereits gebucht. Zwar ist das notwendige Personal noch nicht in der Gänze vorhanden, die Anzahl der Qualifizierten steigt jedoch stetig.

Wie zertifiziere ich mein Unternehmen nach der DIN und mit welchem Aufwand muss ich rechnen? Antworten finden Sie unter: https://qualitaetssicherung.ifam.fraunhofer.de/de/qualitaetssicherung-organisation/inhalte-din-2304-din-6701.html

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Informationen über die DIN 2304