Herr Adam, welches Expertenwissen vermitteln Sie im Webinar »Oberflächenbewertung per Algorithmus – Wenn Expertenwissen und Digitalisierung zusammenkommen«?
Derzeit werden Oberflächen häufig von Experten auf Basis von Erfahrungen bewertet. Die jeweiligen Normen helfen dabei zwar durch Auflistung qualitativer Kriterien, insgesamt bleibt die Bewertung aber stark abhängig vom jeweiligen Experten. Im Webinar möchten wir zeigen, wie wir diese subjektive, erfahrungsbasierte Beurteilung durch ein objektiveres Verfahren basierend auf Algorithmen optimieren und wie das funktioniert.
Herr Strohbach, können Sie uns eine kleine Sneak-Preview geben? Was sind die Vorteile und die Funktionsweisen der »Oberflächenbewertung per Algorithmus«?
Die fragliche Oberfläche wird zunächst durch mehrere Experten qualitativ beurteilt. Nachfolgend werden diverse mathematische Merkmale für die Oberfläche berechnet und mit der Expertenbeurteilung zusammengebracht. Die daraus resultierenden Daten schleusen wir in das System und geben so dem Algorithmus die Möglichkeit, das Bewerten von Oberflächen quasi »wie ein Mensch« zu erlernen. Dass die Beurteilung nun mehr auf mathematischen und reproduzierbaren Merkmalen basiert, macht die Beurteilung von Oberflächen zuverlässig. In ersten Versuchen vor Ort hat sich gezeigt, dass diese Systeme auch dabei helfen können langwierige Diskussion zwischen Hersteller und Kunde zu verkürzen.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Oberflächenbewertung per Algorithmus zu beachten und wie kann man sich das Gesamtkonzept am besten vorstellen?
Tim Strohbach: Wichtig ist zunächst, repräsentative Merkmale auszumachen, die sich dazu auch in kurzer Zeit berechnen lassen. Zusätzlich muss die zugrundliegende Expertenbewertung so exakt wie möglich sein. Das ist nicht immer einfach, da die Grundwahrheit nicht in jedem Fall zuverlässig bekannt ist. Die Annotation der Pixel im Bild erfolgt einfach erklärt in Bereiche wie »in Ordnung« und »nicht in Ordnung«. Im Falle des Projektes »WindsurfAce«, bei dem es um die Vorbereitung für die Applikation von schwerem Korrosionsschutz geht, wird die Oberfläche z.B. in unterschiedliche Vorbereitungsgrade (P1, P2 und P3) eingeteilt. Das System erlernt dabei zunächst immer den subjektiv geprägten Eindruck der Experten. Die Objektivierung ergibt sich zum einen aus der Statistik und kann zum anderen durch geeignete Versuche unterstützt werden. Ein anderes Beispiel aus dem Projekt SAMBA ist die Klassifizierung von Bruchflächen in charakteristische Bereiche wie z.B. Adhäsionsbruch, Kohäsionsbruch usw. Die Bewertung hängt ein Stück weit auch von der »Tagesform« der Experten ab. Auch hier helfen Statistik und eine sehr sorgfältige Annotation durch mehrere Experten.
Jannes Adam: Ganz einfach lässt sich das auch am Beispiel von Google Maps erläutern. Wir haben hier für einen Test des Prozesses einmal einen bestimmten Bereich auf Satellitenbildern ausgewählt und ein Bild gemacht. In diesem Bild haben wir dann die Klassifizierungen Wiese, Feld, Wald, Infrastruktur und Wasser grob vorgenommen. Dann haben wir dem Algorithmus weitere Luftbilder zur Verfügung gestellt und die verschiedenen Geozonen automatisch erkennen lassen. Es stellte sich heraus, dass der gleiche Ansatz auch auf dieser (makroskopischen) Ebene funktioniert und dabei nur eine sehr begrenzte Anzahl von Trainingsdaten (also durch den Menschen annotierte Daten) benötigt, um die verschieben Bereichen voneinander zu unterscheiden.
Sie sind beide als wissenschaftliche Mitarbeiter am Fraunhofer IFAM in der Abteilung Qualitätssicherung und Cyber-Physische Systeme tätig. In welchen Prozessschritten, Projekten und Anwendungsbereichen unterstützt ihre Abteilung?
Tim Strohbach: Wir arbeiten an solchen Algorithmen und ähnlichen Ansätzen grundsätzlich sowohl in geförderten Projekten als auch im Rahmen direkter Industrieaufträge. Im Normalfall beginnt ein solches Projekt mit einem Screening der vorhandenen Daten und der Erprobung unterschiedlicher Algorithmen-Ansätze. Die vielversprechenden Ansätze werden dabei weiterverfolgt und für den Anwendungsfall optimiert.
Jannes Adam: Letztlich können solche modernen Methoden die Qualitätssicherung von Oberflächen verbessern und automatisieren. Wie erwähnt lassen sich die Ansätze auf eine Vielzahl von Anwendungsbereichen übertragen.
Herr Strohbach, wer sollte – Ihrer Meinung nach – an diesem Webinar unbedingt teilnehmen?
Jeder, der sich mit Oberflächentechnik befasst und hier die Klassifizierungen von mikroskopischen und makroskopischen Oberflächendaten, ausgehend von Bildern oder 3D Daten, vornehmen möchte. Und natürlich jeder, der in diesen Bereich des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz anhand eines praktischen Beispiels einmal reinschnuppern möchte.
Herzlichen Dank für das Interview!